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Lisar.
In der Regel haben die Jäger Schuld, wenn Fuchswelpen
zu uns kommen. Gelegentlich werden Fuchseltern Opfer des Straßenverkehrs.
Und hin und wieder werden Welpen auch von der Mutter zurück
gelassen. Dann nämlich, wenn die Mutter merkt, dass der
Welpe nicht gesund ist.
So ein Fall ist Lisar. Er saß an einer Ampel quasi in
der Stadt und bat die Passanten "bitte nimm mich doch
mit."
Sein Finder brachte ihn zunächst ins Tierheim, in dem
schon ein anderer Welpe aufgenommen wurde. Doch Lisar wollte
nicht zu ihm. Er wollte mit nach Hause, unter die Bettdecke.
Lisar kam dann in unsere Pflegestelle. Anfänglich hieß
SIE Lisa, da man ihn fälschlicherweise für eine
Fähe gehalten hat. Ein Fehler, der recht häufig
passiert, da die Geschlechtsbestimmung junger Welpen nicht
so ganz einfach ist.
Lisar entwickelte sich zunächst nicht weiter auffällig,
sieht man davon ab, dass er immer sehr schutzbedürftig
war und für sein Alter deutlich zu klein. Er zeigte nie
aggressives Verhalten oder Futterneid.
Im Laufe der Zeit aber wurden die Fehlentwicklungen immer
deutlicher. Er blieb klein und stand anderen Welpen in jeder
Entwicklungsphase nach. Bei Ultraschalluntersuchungen wurden
ein viel zu kleines Herz, zu kleine Leber und zu kleine Nieren
im Verhältnis zur Körpergröße festgestellt.
Das erklärte dann seine ausgesprochen heftigen Reaktionen
auf die Gabe von Medikamenten. Selbst bei Flohmitteln oder
Wurmkuren.
Im Alter von rund 18 Monaten erlitt Lisar zum ersten mal einen
krampfartigen Anfall, der ihn fast das Leben gekostet hätte.
Er musste einiges an Untersuchungen über sich ergehen
lassen und obgleich die Diagnose nicht eindeutig ist, handelt
es sich wohl um epilepsieartige Anfälle. Ob Füchse
tatsächlich Epilepsie haben können oder nicht, ist
bis dato zwar nicht geklärt, doch alle Anzeichen sprechen
dafür und auch die Begleiterscheinungen, wie sie bspl.
bei Hunden auftreten, sind ähnlich.
Körperlich also nicht gerade fit, hat Lisar selbst mit
dem Fellwechsel zu kämpfen. Dieser dauert sehr lange.
Lisar ist dann großflächig kahl, bevor das neue
Fell nachwächst. Ständiger Juckreiz begleitet den
Wechsel, so dass Lisar sich stellenweise selbst blutig scheuert
oder beißt. Insekten wie Flöhe oder Zecken haben
in dieser Zeit besonders leichtes Spiel und derer Bisse sind
oft stark entzündet.
Nachdem Lisar medikamentös auf Epilepsie eingestellt
wurde, halten sich die Anfälle in Grenzen. Auffällig
aber auch hier, dass die Dosierung der Medikamente deutlich
unter der Menge liegt, die normalerweise anhand seines Gewichtes
verwendet werden müsste.
Der oder die Auslöser für Anfälle sind nur
schwer einzuordnen. Stress spielt eine Rolle, aber Lisar reagiert
auch wie allergisch auf Insektenstiche und auf manche Futtermittel.
Ein weiteres Fehlverhalten ist seine Beziehung zu natürlicher
Beute. Mäuse verspeist er nur, wenn diese tot sind. Er
prüft das sogar, in dem er sie zunächst mit der
Nase anstubst.
Hasenkinder oder Küken werden von Lisar adoptiert - statt
verzehrt.
Ebenfalls untypisch: Seine Leidenschaft für Wasser. Normalerweise
meiden Füchse Wasser eher. Lisar plantscht ausgiebig,
sogar in Eiswasser.
Die Tatsache, nicht ausgewildert werden zu können, deckt
sich leider häufig nicht mit der Situation, dass der
junge Fuchs trotzdem nicht zahm wird. Lisar aber scheint zu
spüren, dass er ohne menschliche Hilfe nicht überleben
könnte. Und so hat er sich freiwillig entschlossen zu
bleiben. Er geht nicht unbedingt erfreut auf fremde Menschen
zu, aber seine Bezugspersonen sind akzeptiert und bilden sein
Umfeld. Dazu gehören auch die übrigen Tiere der
Pflegestelle, die nicht nur Füchse, sondern auch andere
Wild- und Haustiere betreut.
Als später noch die Füchsin Luisa
zu ihm kam, entstand zusammen mit den Adoptivwelpen eine sicher
etwas ungewöhnliche, aber zufriedene Fuchsfamilie. Damit
es keinen Nachwuchs geben konnte, wurde Lisar sterilisiert.
Allerdings war dieser Schritt wohl eher unnötig, da sein
Interesse an einer Paarung mit Luisa mehr als nur halbherzig
war. Schon als Welpe wollte er draußen - also außerhalb
seines Revieres - nicht markieren. Also ging er nur Zuhause
auf seine Toilette und verrichtete seine Geschäfte nie
im Freien oder bei Spaziergängen. Das Wort Dominanz kommt
in Lisars Wortschatz nicht vor.
So wird Lisar wohl ein lebenslanger Dauergast bleiben. Doch
wie erwähnt, hat er kein Problem damit. Und seine Pflegemamas
auch nicht.
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